Sparen lohnt nicht: Ist das wirklich wahr?

Sparen lohnt nicht mehr. Das klingt plausibel in Zeiten von Nullzins. Doch stimmt das wirklich?

 

 

„ Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Immanuel Kant

 

Achtung: Mitdenken erforderlich!

Es lohnt sich, über solche und ähnliche Aussagen zum Thema „Sparen“ einmal nachzudenken. Es fühlt sich richtig an – doch stimmt die Logik? Unser Gehirn führt uns gern mal in die Irre. Verzerrte Wahrnehmungen gibt es nicht nur bei der berühmten „Fata Morgana“. Unser Gehirn läuft gern im Energiesparmodus der Routinen. Nur, wenn etwas unstimmig ist, irritiert oder bedrohlich ist, schaltet es automatisch auf erhöhte Aktivität. In allen anderen Fällen müssen wir uns bewusst konzentrieren und nachdenken. Drei solcher Sprüche, die plausibel klingen, habe ich zum Thema „Sparen“ herausgesucht. Sie werden Ihnen bekannt vorkommen. Doch stimmt das?

  1. „Sparen lohnt nicht – ohneZinsen“

Das ist die Botschaft hinter Mario Draghis Nullzinspolitik. Wir sollen unser Geld lieber ausgeben, um die Konjunktur anzukurbeln, statt es zu horten. Doch die brutale Wahrheit ist: Wer nichts für später zurücklegt, hat später nichts. Garantiert! Eine Poltik, die um kurzfristig die Wirtschaft zu stimmulieren, den Menschen das Sparen verleidet, verhindert, dass Menschen für absehbare Notwendigkeiten vorsorgen. Wer mit Niedrig- oder gar Negativzins Schuldner belohnt, der weist den Weg in den sicheren Ruin: Stetig mehr Geld ausgeben als vorhanden und einen Wechsel auf die Zukunft ziehen.

Können Sie es sich leisten, später keine Rücklagen zu haben? Haben Sie ausreichend Pensionsansprüche? Und wer soll die zahlen? Bei Rentnern braucht es vor allem Kinder, die als Erwerbstätige Einkommen erzielen. Bei Beamten einen Staat mit Überschüssen. Heute sind das ungedeckte Schecks. Nicht nur den Bund der Versicherten macht das Sorgen. Schon der reichste Mann von Babylon wusste, dass der erste Schritt zu Reichtum darin besteht, etwas zurüchzulegen.

Sparen lohnt nicht!? - Wahr ist: Wer nichts spart, hat später nichts worauf er zurückgreifen kann. Klick um zu Tweeten

Beim Sparen geht es nicht um Zinsen. Der Zins ist das Sahnehäubchen, das den Kaffee versüßt. Verwechseln Sie es nicht mit dem Kaffee, sonst bleibt Ihre Tasse leer.

Belohnt wird, wer durchhält

„Aber worin soll ich anlegen? Es gibt keine Zinsen, Aktien haben zwar Dividenden, sind aber unsicher, Immobilien bringen Mieten, sind aber teuer, …“ So lauten die Fragen.

Welche Anlage nach 20-40 Jahren die Beste gewesen sein wird, kann niemand wissen. Deshalb erst gar nicht zu sparen, wäre der größte Fehler. Selbst ein Sparer mit einer schlechten Anlage hat am Ende mehr als derjenige, der nichts spart. Empfehlenswert ist ohnehin ein Mix, um Risiko zu streuen. Sich nicht entmutigen zu lassen, macht den Unterschied.

Wenn es heute nahezu keine Zinsen mehr gibt, kann das in zehn Jahren ganz anders aussehen. Entscheidend ist bei einem Sparplan nicht wieviel Zinsen Sie am Start bekommen, sondern gegen Ende. Dann, wenn sich Kapital angesammelt hat. Der Zins ist keine Einbahnstraße, er steigt und fällt.

Fazit:

  • Um den Lebensstandard zu halten ist es erforderlich, Geld für später zurückzulegen. Tun Sie es nicht, gehen Sie ein hohes Risiko ein. Es bedeutet Abhängigkeit in der Phase, wo Sie kein Erwerbseinkommen mehr haben. Sollten Sie es dann bedauern, ist es zu spät.
  • Entscheidend für den Erfolg ist die Motivation. Schaffen Sie Kapital. Was motiviert Sie am Meisten? Ein eigenes Haus? Immobilienbesitz? Aktienmärkte? Ein Sparplan? Gold? … Was immer es ist, nutzen Sie es, Kapital zu bilden. Und vergessen Sie nicht, das Risiko zu streuen.

2. „Sie sparen mit jedem Einkauf“

Um Konsum und Verschuldung anzukurbeln wird das Wort „Sparen“ kurzerhand umdefiniert. Der Finanzminister rühmt sich zu sparen, wenn er die Neuverschuldung nicht erhöht oder die Erhöhung geringer ausfällt als in früheren Zeiten. Wen wundert es, dass Geschäfte uns mit dem Spruch „Sie sparen mit jedem Einkauf“ zum Geldausgeben animieren.

So wirbt der Einzelhandel für seine „Super-Spar-Angebote“. Mit jedem Einkauf Geld sparen. Das klingt als würden wir durch Geldausgeben wohlhabender. In Wirklichkeit werden wir verlockt mehr auszugeben als geplant und als gut für uns ist. Deutschland gilt als ein Volk der Sparer. Auch anderen empfehlen wir gerne zu sparen (EU). Sparen gilt als tugendhaft und ist positiv belegt. Das macht sich die Werbung zu Nutze und deutet den Begriff des „Sparens“ für Ihre Zwecke um.

Sie sparen mit jedem Einkauf! - Fühlt sich gut an, hilft aber nicht: Wir geben mehr Geld aus. Klick um zu Tweeten

 

Auch früher gab es Wundersames

Schon vor einigen Jahren war ich mit einer Freundin in der Toskana. Sie brauchte eine neue Tasche einer bestimmten Nobelmarke. Sie wusste genau welches Modell (immerhin ;-)) und ihr Ehrgeiz war es, beim Einkauf zu „sparen“. In jedem Ort besichtigten wir nicht nur unzählige Kirchen, sondern auch jedes Geschäft mit Handtaschen. Als wir nach zwei Wochen das Objekt der Begierde für 200 Euro günstiger fanden als in Mailand, schlug meine Freundin zu.

200 Euro gespart. Geschafft. – Weit gefehlt. :-((  Es war erst der Startschuss zur zweiten Rally. „Vom gesparten Geld kaufe ich mir eine Kette“ verkündete sie voller Tatendrang und das Drama wiederholte sich. Als sie schließlich eine Kette für 150 Euro fand, investierte sie die „gesparten“ 50 Euro in ein Portemonnaie. Ich kam mir vor wie bei einer Matrjoschka, den russischen Figuren. Wenn Sie eine öffnen, kommt die nächste zum Vorschein.

So geht Sparen heute

Heute würde sich meine Freundin aus der Toskana damit nicht mehr zufrieden geben. Jedes „Schnäppchen“ eine Trophäe. Sie wäre der Anerkennung durch ihre Freundinnen sicher. Und nicht das Kontoguthaben sondern der Kreditrahmen oder die künftige Ratenhöhe bestimmt das Limit.

Alles eine Frage der Selbstkontrolle. Wie der Psychologe Walter Mischel Anfang der 70ger Jahre mit seinem berühmten Marshmallow-Test (Artikel: Die Zeit) herausfand. Sehen Sie im Video von Sam Bannani auf youtube. Er beobachtete die Kinder aus dem Test viele Jahre lang und stellte fest: Wer seinen Impuls im Marshmallow-Test kontrollieren konnte, der war in der Regel im späteren Leben akademisch, emotional und sozial erfolgreicher. Belohnungsaufschub und Impulskontrolle führen zu mehr Erfolg im Leben.Neben der individuellen Thematik gibt es auch noch eine gesellschaftliche. Ich empfehle dazu das Buch von Nicole Rupp: Wer spart, verliert.

Fazit:

  • Sparen bedeutet Konsumverzicht und Belohnungsaufschub. Es erfordert Willenskraft. Wer bewusst spart und bewusster konsumiert, hat mehr davon.
  • Die größte „Geld“-Verschwendung ist es, Geld auszugeben und anschließend gar nicht mehr zu wissen wofür. Beispiel: Sie bekommen eine Gehaltserhöhung und können ein Jahr später nicht mehr sagen, wo das zusätzliche Geld hin ist.
  • Wenn Sie Geld ausgeben, tun Sie es bewusst. Ansonsten rinnt Ihnen das Geld durch die Finger und Ihr Leben gleich mit.

 

3. „Sie erhalten garantiert Ihr Kapital zurück“

Riestersparer kennen es. Zertifikate-Käufer lieben es. Die Kapitalgarantie.

Jeder Anbieter von Riester-Verträgen muss dem Sparer garantieren, dass er mindestens die eingezahlten Beiträge in der Rentenphase rausbekommt. Das was aussieht wie eine Garantie nichts verlieren zu können, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als schöner Schein. 100 € heute sind bei 2% Inflation in 30 Jahren gerade 55 € in heutiger Kaufkraft. Sie bekommen für die Garantie in 30 Jahren nur noch halb so viel wie zurzeit. Hoffen wir, dass Zinsen und/oder Kursgewinne einiges wettmachen.

Das Gleiche Problem herrscht bei den beliebten Garantiezertifikaten. Auch hier gilt: Bei 10.000 Euro Einzahlung und 10.000 Euro Kapitalgarantie in fünf Jahren hat die Kaufkraft nachgelassen. Real ein Minus.

Keine Kapitalgarantie bei Niedrigzins

Doch alle Garantiemodelle haben aktuell ganz andere Probleme. Sie funktionieren alle nach dem gleichen Muster. Viele glauben, es handele sich um eine Wette mit dem Anbieter, der Bank. Doch die Banken sichern sich ab. Sie legen einen Teil des Geldes festverzinslich an. Durch die Zinsen wird „quasi automatisch“ der Garantiebetrag erreicht. Der Rest kann anderweitig in Aktien oder spekulative Anlagen gesteckt werden und sorgt, wenn es gut geht, für die Rendite.

Was tun, wenn es keine Zinsen gibt? Bei Nullzins muss der Garantiegeber 100% in sichere Anlagen stecken und es bleibt nichts mehr übrig, um mit Risiko eine Rendite zu erzielen. Daher gibt es seit geraumer Zeit keine Zertifikate mit voller Kapitalgarantie mehr.

Fazit:

Wenn Ihnen jemand eine Garantie gibt, stellen Sie zwei Fragen:

  • Würden Sie diesem Menschen, dieser Institution Geld leihen?
  • Wie kann der Garantiegeber vorgehen ohne eigenes Risiko, solch eine Garantie auszusprechen?

Kapitalgarantien sind teuer erkauft. Setzen Sie auf Risikostreuung und langfristige Entwicklungen.

Ist das wirklich wahr?

Warum gehen uns die Sprüche so leicht von den Lippen? Sie klingen stimmig. Sie sind vertraut, wir haben Sie schon öfter gehört. Es geht auch anderen Menschen so. Die Sprüche sind gesellschaftlich akzeptiert.

Erinnern wir uns an Immanuel Kants Leitspruch der Aufklärung: „ Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen.“

Sparen lohnt doch. Oder können Sie es sich leisten, sich zu irren?