Wie vermögend bin ich?

Im letzten Artikel unserer Frühjahrsputz-Aktion hatten wir Inventur gemacht und eine klassische Vermögensbilanz (Status) erstellt, wie es jeder Finanzberater macht. Heute zeige ich Ihnen die Perspektive eines Finanzplaners. Ein Finanzplaner hilft Ihnen, Ihre finanziellen Ziele zu erreichen. Zuvor müssen Sie zunächst herausfinden, wo Sie stehen. Dazu zählt die Frage:

Wie vermögend bin ich?

Unser Vermögen ist mehr als eine Inventur unseres Besitzes. Auch zukünftige Geldzuflüsse gilt es zu beachten::

  • Zukünftiges Arbeitseinkommen – Wert unserer Arbeitskraft
  • Rentenansprüche – Anspruch auf Einkommen unabhängig von unserer Arbeitskraft
  • Kapitalerträge – Geldzufluss unabhängig von unserer Arbeitskraft

 

Der Wert unserer Arbeitskraft

Junge Menschen verfügen in der Regel über wenig Kapital. Der Wert ihrer Arbeitskraft ist dagegen sehr hoch. Selbst wenn sie ihr relativ geringes Einsteiger-Gehalt auf Ihre potentielle Lebensarbeitszeit hochrechnen, reden wir über enorme Beträge.

Beispiel: 25 jähriger mit 2.000 Euro netto Gehalt

Renteneintritt voraussichtlich 67. LJ

2.000 Euro x 12 = 24.000 Euro Jahresgehalt x 42 Jahre = 1.080.000 Euro

Wir sprechen von über 1 Mio. Euro, ein enormer Wert.

Die wichtigsten Erkenntnisse hieraus:

  • Das Arbeitseinkommen ist für den 25 Jährigen der wichtigste Vermögenswert. Seine Arbeitskraft die Quelle seines Vermögens. Es macht Sinn diese Arbeitskraft abzusichern, klassisch durch eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit.
  • Der 25 jährige kann – sofern er das Kapital nicht bereits verplant hat (Autokauf, Immobilienkauf, Hochzeit …) bei seiner Kapitalanlage mehr Risiko eingehen. Größere Wert-Schwankungen, wie bei Aktien, federt er durch Kapitalzuflüsse ab.
  • Betrachten Sie Arbeitseinkommen als Teil Ihrer Risikostreuung. Es ist quasi eine eigene Anlageklasse (Humankapital). Streuen wir unseres Vermögen auf verschiedene Anlageklassen, sind wir in der Lage, Risiko zu reduzieren. Der Effekt tritt ein, wenn wir in Anlageklassen anlegen, die sich möglich unabhängig voneinander verhalten. Ob dies der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab. Bezüge eines Beamten entwickeln sich unabhängig von der Börse. Die Bezüge eines Investmentbankers oder eines Zeitarbeiters hingegen sind abhängig von der Entwicklung der Börsen bzw. der Gesamtwirtschaft.
Junge Menschen sind vermögender als sie sich fühlen. Die Arbeitskraft ist viel wert. Klick um zu Tweeten

 

Rentenansprüche

Die Quelle Arbeitseinkommen versiegt mit Eintritt in den Ruhestand. Ältere Menschen haben – hoffentlich – einen Teil Ihres Einkommens verwendet, um Rentenansprüche zu erwerben. Falls nicht, bleibt nur das Vermögen als Einkommensquelle. Keine Alternative ist Transfereinkommen für das Allernötigste (Hartz IV).

Rentenansprüche erwerben wir durch Versicherungen. In Deutschland haben wir ein relativ kompliziertes System – im April herrlich vom ZDF in Die Anstalt karrikiert. Es besteht im Kern aus zwei Grundideen:

Dem Umlageverfahren der gesetzlichen Rente und der kapitalgedeckten Rente. Beide haben Stärken und Schwächen.

  • Bei der gesetzlichen Rente finanzieren die Erwerbstätigen mit Ihren Beiträgen die Renten der heutigen Rentenbezieher. Aufgrund der demographischen Entwicklung müssen in einigen Jahren zwei Erwerbstätige, einen Rentner finanzieren. Als Folge hieraus sinkt das Rentenniveau auf 44% des letzten Nettoeinkommens. Das reicht nicht.
  • Deshalb wurden zahlreiche weitere private und berufliche Rentensysteme entwickelt (Riester, Rürup, baV, private Rente). In diese zahlt der Beitragszahler ein, bildet Kapital und erhält darauf einen Rentenanspruch (Versicherungsleistung). Die Null-Zins-Politik der EZB und hohe Provisionen der Versicherungen machen viele Verträge unrentabel.

Steuerlich richtet sich die Behandlung der Einzahlungen und Rentenzahlungen nach einem komplizierten 3-Schichten-Modell. Neben der Steuer sind Sozialabgaben zu berücksichtigen, allen voran, die schwer kalkulierbare Krankenversicherung (steigende Gesundheitskosten).

Beispiel:

65 Jähriger kurz vor Rentenbeginn, aktuell mit 65 + 4 Monate

Einkommen 4.000 Euro x 4 = 16.000 Euro

Trotz hohem Einkommen bleibt kaum Zeit. Die Quelle versiegt. An ihre Stelle treten die Rentenansprüche.

Die wichtigsten Erkenntnisse hieraus:

  • Die Rentenansprüche sind für den 65 Jährigen ein wichtiger Vermögenswert neben dem Kapital, das er angesammelt hat. Es besteht kein Langlebigkeitsrisiko. Renten erhalten Sie, solange Sie leben.
  • Der 65 Jährige kann größere Wertschwankungen seiner Anlagen nicht mehr durch künftige Kapitalzuflüsse aus Arbeitseinkommen abfedern, wie ein junger Anleger. Dies legt nahe, ein geringeres Risiko einzugehen.
  • Zur risikobehafteten Kapitalanlage sind nur solche Beträge geeignet, auf die der Ruheständler nicht angewiesen ist.

 

Rentenansprüche sind ein wichtiger Teil der Vermögensbilanz. Klick um zu Tweeten

 

Kapitalerträge als Vermögensquelle

Wer unabhängig sein möchte von Arbeitseinkommen und Rentenansprüchen, der braucht Kapital. Eine Definition von Kapitalvermögen lautet:

Kapitalvermögen = Kapital (Geld) x Zins x Zeit

Je länger Sie Geld anlegen, je mehr Zinszahlungen erfolgen. Mit jeder Zinszahlung wächst das Kapital überproportional, erst langsam, dann immer schneller. Der Effekt ist als Zinseszins bekannt. Einstein nannte ihn einst das Achte Weltwunder. Es handelt sich mathematisch um eine Exponentialfunktion.

Seit jeher haben Menschen den Effekt unterschätzt, wie die Geschichte vom Reiskorn und dem Schachbrett in diesem Video zeigt.

Grundregel: Zinseszinseffekte – nie schätzen, immer rechnen! Klick um zu Tweeten

Beim Geldanlegen gibt es eine einfache Faustformel, die 72er Formel. Wie Sie funktioniert lesen Sie hier auf Wissen-ist-Geld. Sie beantwortet die Frage: Wie lange dauert es bei einem Zins von X% bis sich mein Kapital verdoppelt?

Was lernen wir hieraus?

  • Kapitalvermögen macht unabhängig vom Arbeitseinkommen. Statt eigener Arbeitskraft lassen Sie Ihr Kapital für sich arbeiten.
  • Die Rendite ist abhängig vom Risiko gemessen in Volatilität (vereinfacht: Preis-Schwankungen).
  • Je höher Ihr künftig zu erwartendes Arbeitseinkommen und / oder Ihre Rentenansprüche, je mehr Risiko können Sie eingehen.

 

Wie sieht Ihre Vermögensbilanz aus?

Ich spreche häufig mit über 50 Jährigen. Ihnen wird langsam bewusst, dass Ihr künftiges Arbeitseinkommen begrenzt ist. Ihre Rentenansprüche reichen oft nicht, Ihren derzeitigen Lebensstandard im Ruhestand zu halten. Ihre bange Frage: Ist der Zug abgefahren?

Unsicherheit über die Rente? Nur eine Bestandsaufnahme bringt Klarheit. Vermögensbilanz. Klick um zu Tweeten
  • Wieviel Geld brauchen sie monatlich? (Lebensunterhalt – Lebensstandard)
  • Wie hoch sind die Rentenanasprüche aktuell?

Sie haben Angst vor der Wahrheit? Das ist verständlich, keiner wird gern auf Versäumnisse hingewiesen. Doch es geht nicht um Vergangenheitsbewältigung, sondern um die Gestaltung Ihrer Zukunft. Einer Zukunft in der niemand anderes leben muss, als Sie selber.

 

 „Ich hatte mein ganzes Leben lang viele Probleme und Sorgen. Die meisten von ihnen sind aber niemals eingetreten.“  Mark Twain

 

Damit sie nicht eintreten brauchen Sie Klarheit, wo Sie stehen. Die Aufgabe eines Finanzplaners ist es, Ihnen dabei zu helfen und Ihnen konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, wie Sie Ihr Ziel erreichen.

Es ist ein gutes Gefühl, seine Probleme anzupacken. Deutlich besser als ein schlechtes Gewissen verbunden mit diffusen Zukunftssorgen. Der Mix macht es. Wer Mitte 50 ist hat zumeist alle drei Vermögenskategorien:

  • Zukünftiges Arbeitseinkommen
  • Rentenansprüche
  • Kapital

Es ermöglicht, an mehreren Rädchen zu drehen. Viele kleine Veränderungen, statt einer großen. Wie – sagt Ihnen Ihr Finanzplaner.

 

Ein Hinweis:

Künftige Kapitalflüsse sind nicht gleichzusetzen mit heutigen Kapitalzuflüssen. Psychologisch spüren wir dies durch unseren Drang nach „Belohnung sofort“.

Auch mathematisch macht es einen Unterschied. 100 Euro in der Zukunft sind weniger Wert als 100 Euro jetzt. Der Euro unterliegt der Inflation, d.h. er verliert an Kaufkraft. Genau genommen müssten wir den Barwert ermitteln.

Wikipedia: „Der Barwert ist der Wert, den zukünftige Zahlungen in der Gegenwart besitzen. Er wird durch Abzinsung der zukünftigen Zahlungen und anschließendes Summieren ermittelt.“ Da es mir in diesem Beitrag nicht darum geht, Ihnen Finanzmathematik zu vermitteln, habe ich darauf verzichtet.

Wichtiger ist das Bewusstsein für die verschiedenen Aspekte des Vermögens. Das Rechnen übernimmt Ihr Finanzplaner. Zertifizierte Finanzplaner nach internationalem Standard „Certified Financial Planner“ (CFP) finden Sie auf der Homepage des Financial Standard Board Deutschland. Nur 1 von 200 Finanzberatern ist CFP.

 

Im nächsten Beitrag der Serie geht es um die Vermögensbilanz aus Sicht eines Finanz-Coaches. Wie ist Ihr Blick auf Ihr Vermögen? Wie vermögend fühlen Sie sich?