Wird wirklich alles schlimmer?

BUCH-EMPFEHLUNG: FACTFULLNESS von Hans Rosling

Wer die Nachrichten schaut, ist täglich mit Kriegen, Terror, Krisen und Skandalen konfrontiert. Wir haben den Eindruck, die Welt ist schlecht und vieles verändert sich zum Negativen. Doch stimmt das wirklich? Und warum neigen wir dazu, die Welt negativ zu sehen? Mit „Factfullness“ ist Prof. Hans Rosling ein Buch gelungen, das einen ganz anderen Blick auf unsere Welt wirft. Dabei zeigt er nicht nur die Fakten auf, sondern erforscht auch, warum wir die Welt verzerrt wahrnehmen und was wir dagegen tun können.

Testen Sie sich selbst

In den letzten 20 Jahren hat sich der Anteil der in extremer Armut lebenden Weltbevölkerung …

A: nahezu verdoppelt

B: nicht oder nur unwesentlich verändert

C: deutlich mehr als halbiert.

Die Richtige Antwort lautet: Der Anteil der in extremer Armut lebenden Menschen hat sich deutlich mehr als halbiert. Hätten Sie das gedacht? Dabei sehen wir doch täglich Bilder der Not auf der Welt.

Das Buch beginnt mit einem Test. Wenn Sie möchten, probieren Sie es aus: Den Test finden Sie hier

Und, wie haben Sie abgeschnitten? Haben Sie die richtigen Antworten verblüfft? Mussten Sie raten? Dann ist es ihnen so ergangen wie tausenden Anderer vor ihnen, darunter Politiker, Wirtschaftsbosse und Journalisten.

Warum sehen wir die Lage düsterer als sie ist?

Dinge erscheinen ganz unterschiedlich je nachdem, aus welcher Perspektive wir sie betrachten. Unsere Sicht auf die Welt ist geprägt durch die Medien. Nur einen winzig kleinen Teil der Welt kennen wir aus eigenem Erleben, den Rest der Welt betrachten wir durch die Brille der Medien.
Das Buch „Factfullness“ bietet eine andere Perspektive auf die Welt. Dazu werden viele Fakten in Grafiken verarbeitet, die großartig aufbereitet sind.

Doch Rosling geht es nicht nur um die Fakten. Er denkt weiter und stellt drei wichtige Fragen:

  • Warum sehen wir die Welt nicht, wie sie ist?
  • Welche Folgen hat das?
  • Was können wir gegen Wahrnehmungsfehler tun?

Irren ist menschlich

Unsere Sicht der Welt ist überdramatisiert. Weil diese Wahrnehmung unmittelbar mit der Funktionsweise unseres Gehirns zusammenhängt, ist es so schwer, sie zu überwinden. Unser menschliches Gehirn ist das Produkt von Millionen Jahren Evolution. Was unseren Urahnen geholfen hat in einer begrenzten Welt zurecht zu kommen, hindert uns heute daran, die Welt so wahrzunehmen, wie sie ist. Rosling spricht von Instinkten:

INSTINKT 1: Der Instinkt der Kluft

„Ein Megatrugschluss ist, die Welt zweigeteilt zu sehen.

Hans Rosling

Reich und Arm – Der Westen und die Entwicklungsländer.

Die meisten Menschen haben ein mittleres Einkommen. Rosling bietet ein Modell mit vier Einkommensstufen an, das die Welt viel realistischer abbildet. Auf Dollar Street haben Fotografen die Lebensverhältnisse von Familien unterschiedlicher Einkommensstufen abgebildet. Schauen Sie rein, Sie erhalten spannende Einblicke in den Alltag. Rosling leugnet nicht die riesigen Einkommensunterschiede, aber lenkt den Blick auf die wenig bekannte Mitte. Normalität findet nie den Weg in die Schlagzeilen.

INSTINKT 2: Der Instinkt der Negativität

Wir leben auf der höchsten Einkommensstufe. Millionen von Menschen haben es geschafft Stufe um Stufe aufzusteigen, ohne dass wir das mitbekommen haben. Der Anteil der Menschen auf der niedrigsten Einkommensstufe hat sich halbiert. Um es klar zu sagen, jeder Einzelne ist zu viel. Aber es besteht berechtigte Hoffnung, dass die Zahl weiter drastisch abnimmt. Hätten Sie das gedacht?

Rosling listet noch viele weitere Dinge auf, die sich drastisch verbessert haben: Kindersterblichkeit, Kinderarbeit, Hunger, Krankheiten, Kriegstote, Schulbildung der Mädchen, Zugang zu sauberem Wasser, Impfungen, u.a. mehr.

INSTINKT 3: Der Instinkt der geraden Linie

Wir neigen dazu, Trends in einer Linie zu sehen. Tatsächlich gibt es viele verschiedene Verläufe. So gehört es zum Allgemeinwissen, dass die Menschheit dramatisch wächst. Das führt zu dem Trugschluss, dramatische Maßnahmen (wie die Geburtenkontrolle in China) seien notwendig. Tatsächlich gibt es weltweit einen dramatischen Rückgang der Geburten pro Frau. Wenn mehr Menschen aus extremer Armut herausfinden, mehr Frauen Zugang zu Bildung, sexueller Aufklärung und Verhütungsmitteln bekommen, dann wird sich der Trend fortsetzen, ohne dass drastische Maßnahmen nötig sind.

INSTINKT 4: Der Instinkt der Angst

Angst ist ein wichtiger Schutz vor Gefahren. Das gilt besonders für Menschen, die in bitterer Armut leben. In der Nachrichtenwelt führt diese Angst bei uns dazu, dass wir Informationen Aufmerksamkeit schenken, die zu dramatischen Instinkten passen. Wenn wir nicht aufpassen, besteht die Gefahr, dass wir das Ungewöhnliche für normal halten und für den Zustand der Welt. Medien und Marketing kämpfen um unsere Aufmerksamkeit.

„Furchterregend“ und „gefährlich“ ist nicht dasselbe. Furcht ist die subjektive Wahrnehmung eines Risikos und etwas anderes als reale Gefahr.

INSTINKT 5: Der Instinkt der Dimension

„Glauben Sie niemals eine einzelne Zahl besäße eine Aussagekraft.“

Hans Rosling

Einzelne Zahlen wirken hoch, sind aber relativ gering. Wir (auf Einkommensstufe 4) führen heute das sicherste Leben, das es jemals auf Erden gab. Und dennoch fühlen wir uns nicht so. Rosling hat dazu einen interessanten Gedanken. Wir sorgen uns um allerlei Gefahren „da draußen“. Doch diese schrecklichen Dinge passieren kaum einmal „hier“. „Da draußen, das ist die Gesamtheit von Millionen Orten, doch wir leben nur an einem einzelnen Ort. Wenn an jedem einzelnen Ort nur einmal im Jahr etwas Schreckliches passiert, dann nehmen wir dennoch wahr, dass „da draußen“ ständig schreckliche Dinge passieren. Und im TV oder Internet sind wir live dabei. Doch vor Ort bleiben 364 Tage friedlich.

INSTINKT 6: Der Instinkt der Verallgemeinerung

Kategorien sind wichtig für uns, sonst würde unser Denken nicht funktionieren. Kategorien geben dem Denken Struktur. Doch sie verzerren auch unser Weltbild. Es gibt mehr Gemeinsamkeiten zwischen Gruppen als wir denken und mehr Unterschiede innerhalb einer Gruppe.

INSTINKT 7: Der Instinkt des Schicksals

Ein hoffnungsloser Fall. Dieses Urteil wird beispielsweise allzu oft über Afrika abgegeben. Doch langsamer Wandel ist auch ein Wandel. Wir unterschätzen Prozesse, die schleichend sind und überschätzen plötzliche Veränderungen.

INSTINKT 8: Der Instinkt der einzigen Perspektive

Menschen haben eine Vorliebe für einfache Ursachen und Lösungen. Rosling rät dazu, bescheiden zu bleiben und das Ausmaß des eignen Wissens nicht zu überschätzen. Neugierig zu bleiben und offen für neue Informationen hilft, andere Perspektiven einzunehmen. Die Dollar Street Fotos zeigen das in eindrucksvoller Weise. Ideologien verengen den Blick.

INSTINKT 9: Der Instinkt der Schuldzuweisung

„Wenn Du mit dem Finger auf andere zeigt, weisen drei Finger auf Dich selbst.“

Altes Sprichwort

Wir suchen gern die Schuld bei anderen. Klassische Kandidaten für Schuldzuweisungen sind: üble Unternehmer, lügende Journalisten und Ausländer. Am Beispiel der Journalisten zeigt er auf, dass eine faktenbasierte Weltsicht von Medien nicht erwartet werden kann. Medien leben davon, unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen. Umso wichtiger ist es, dass wir Verantwortung für uns übernehmen und uns den Fakten zuwenden. 

INSTINKT 10: Der Instinkt der Dringlichkeit

Dringlichkeit ist geboten bei unmittelbaren Gefahren, wenn wir uns einem Raubtier gegenübersehen. Diese Art Dringlichkeit besteht in unserer heutigen Gesellschaft selten. Vielmehr haben wir die Zeit, unsere Handlungen zu überdenken und sollten das auch tun. Die überdramatisierte Weltsicht erzeugt ein permanentes Gefühl der Krise. Das führt zu Stress oder auch zu Apathie.

Rosling rät, unsere Energie auf fünf globale Risiken zu konzentrieren, die wirklich bedeutend sind:

  • Globale Pandemie
  • Finanzkollaps
  • Der dritte Weltkrieg
  • Klimawandel
  • Extreme Armut

Welche Folgen hat das?

Wir haben zehn Gründe kennengelernt, warum wir die Welt nicht so sehen, wie sie ist. Und das hat Folgen. Denn wie uns ergeht es sogar unseren politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern. Sein Schlüsselerlebnis hatte Rosling als er den Test mit den 13 Fragen der versammelten Elite beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorlegte. Die Ergebnisse waren erschreckend.

Wer auf Basis falscher Einschätzungen entscheidet, der wird nicht die richtigen Maßnahmen ergreifen. Ob Klimawandel, Entwicklungs- oder Flüchtlingspolitik. Es besteht nicht nur die Gefahr falscher Maßnahmen, sondern auch verpasster Chancen.

Es muss daher in unser aller Interesse sein, die Welt auf Basis von Fakten zu betrachten und andere Perspektiven zuzulassen. Wer nicht erkennt, was sich bereits alles verbessert hat, der verliert die Hoffnung und wird mutlos.

Was können wir gegen Wahrnehmungsfehler tun?

Jedes Kapitel über einen der Instinkte, die uns fehlleiten, hat Rosling mit nützlichen Handlungsanweisungen geschlossen. Mein Rat an Sie, lesen Sie das Buch. Es ist wirklich lesenswert und gibt Orientierung in einem Meer alarmistischer Nachrichten und Bilder, die uns täglich erreichen.

Und was bedeutet das für Geldanleger?

Das lesen Sie im nächsten BLOG-Beitrag „FACTFULLNESS für Geldanleger“


Sind Sie neugierig geworden? Dann sind das Buch und die Website „Gapminder“ eine wahre Fundgrube.

Wer war Hans Rosling?

Leider ist der Autor im Februar 2017 verstorben. Das Buch ist sein Vermächtnis, dass sein Sohn Ola und dessen Frau Anna weiterführen. Rosling wurde 1948 in Uppsala geboren und war Professor für Internationale Gesundheit am Karolinska Institutet sowie Direktor der von ihm gegründeten Gapminder-Stiftung in Stockholm. Als Forscher, Arzt und Gründungsmitglied von Ärzte ohne Grenzen e.V. in Schweden ist er viele Jahre weltweit tätig gewesen und hat vieles mit eigenen Augen gesehen. Seine Daten ziehen er und seine Mitstreiter aus öffentlich zugänglichen Quellen der UNO, Weltbank oder anderer supranationaler Organisationen.

Mein Rat:

Verzichten Sie eine Woche auf den Konsum von Nachrichten und lesen Sie stattdessen ein gutes Buch wie „Factfullness“. Sie werden sehen:

  • Sie werden nichts verpassen.
  • Sie erlangen neue Erkenntnisse.
  • Die veränderte Sicht auf die Welt wird Ihnen Kraft und Zuversicht geben.

Und genau das wünsche ich Ihnen für das neue Jahr!

Kaufen Sie nicht die Verpackung, sondern…

Wir lieben schöne Verpackungen. Alles und jedes, das zum Verkauf angeboten wird, wird heute aufwendig verpackt. Wer Produkte wegen ihrer Verpackung kauft, der handelt nicht nachhaltig. Lenkt doch das Drumherum vom wahren Inhalt ab und landet nicht selten im Müll. Auch viele Finanzprodukte gehören ausgepackt. Als Finanzplaner und Gutachter entpacke ich täglich solche Produkte und staune nicht schlecht, was dabei alles zum Vorschein kommt.

 

In der Weihnachtsbäckerei

Bäcker und Köche wissen, auf die Zutaten kommt es an. Doch da fängt das Verwirrspiel für den Laien an? Was ist Verpackung, was Inhalt? Finanzprodukte bestehen aus einer übersichtlichen Zahl an Inhalten, auch Assetklassen genannt. Diese werden in einer unendlichen Vielfalt miteinander kombiniert und angeboten. Jährlich beglücken tausende neue Finanzprodukte die Verbraucher. Die wenigsten davon sind klar verständlich, nützlich und transparent.

Entscheidend sind die Zutaten (Assetklassen):

  • Einlagen
  • Anleihen
  • Aktien
  • Immobilien
  • Gold und Edelmetalle
  • Rohstoffe
  • Währungen

Den Zutaten beigemischt, werden Geschmacksverstärker:

Derivate sind allgegenwärtig. Sie sind wahre Alleskönner. Sie dienen als Ersatz für Direktinvestments (sowie Süßstoff statt Zucker) und dienen dem Transfer von Risiken. Werden sie als Hebel eingesetzt verstärken sie die Chancen und die Risiken. Aufgrund ihrer Abstraktheit sind sie schwer zu verstehen.

– Kredite hebeln ebenfalls Renditen, da weniger Eigenkapital eingesetzt wird. Fatalerweise hebeln sie ebenfalls die Risiken und verstärken Kursschwankungen.

– Versicherungen sind eine weitere Zutat, die Anlageprodukten gerne beigemischt wird. Wir alle kennen Kapitallebensversicherungen, eine Kombination aus einer Geldanlage mit einer Risiko-Lebensversicherung.


„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.“


Forrest Gump

 

Finanzprodukte sind Verpackungen

Egal ob Bausparverträge, Fonds, Zertifikate, Beteiligungen, Indexpolicen, Unfallversicherungen mit Beitragsrückzahlungsgewähr, Pflegeimmobilien, Optionsscheine, Faktorzertifikate, ETFs, ETCs, CFDs, ABS, Kryptowährungen, Vermögensverwaltungen, Robo-Advisor, Wandelanleihen, Hedge Fonds, Total Return Fonds, Fondsrenten, Dachfonds, Riesterrenten, Pensionskassen oder Crowdfunds, das alles sind Verpackungen.

Haben Sie mal kleine Kinder beim Auspacken von Geschenken beobachtet? Ist es Ihnen so ergangen wie mir? Da habe ich meinem Patenkind eine teure Puppe gekauft und was macht die Kleine? Sie spielt mit dem Packpapier, weil es so schön glänzt und raschelt.

Wer Inhalt und Verpackung nicht unterscheiden kann, der erkennt nicht, worauf es ankommt. Entscheidend ist, was drin ist.

 

Verpackungen sind Versprechungen

Etwas zu verpacken kann durchaus sinnvoll sein, um den Inhalt vor Schmutz oder Beschädigung zu schützen. Die meisten Verpackungen dienen jedoch nicht dem Inhalt, sondern zielen auf den Käufer und die menschliche Neigung falsche Schlüsse zu ziehen:

  • Wir schließen von einer voluminösen Verpackung auf einen großen Inhalt.
  • Wir schließen von einer aufwendigen Verpackung auf einen wertvollen Inhalt.
  • Wir schließen von einer phantasievollen Verpackung auf eine positive Überraschung.

Natürlich lenken die hübsch verpackten Finanzprodukte und Hochglanzprospekte davon ab, dass es eigentlich nur wenige Zutaten sind, auf die es ankommt.

 

Steuervorteile für Verpackungen

Steuerliche Fehlanreize fördern teure Verpackungen. So werden Fondsanlagen geringer versteuert, wenn sie in einen teuren Versicherungsmantel gesteckt werden. Während Sparzinsen besteuert werden sind Kreditzinsen absetzbar. Statt einer einfachen Altersvorsorgelösung basierend auf Anleihen, Aktien und Immobilien (die einzigen Assetklassen, die Erträge bringen), werden sogenannte „Altersvorsorgeprodukte“ der Finanzindustrie gefördert:

  • Drei Schichten
  • Förderprodukte: Riester, Rürup, bAV
  • Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) alleine mit sechs Durchführungswegen (von dr Direktversicherung bis zur U-Kasse)

 

Beliebte Geschenkkombinationen

„Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …“, „Wird oft zusammengekauft mit …“ Dieser Verkaufstrick von Amazon beruht auf dem Herdentrieb. Wir fühlen uns wohl und sicher, wenn wir tun, was alle tun. Und außerdem ist es bequem.

Schon vor Amazon hat die Finanzindustrie die „Kombiprodukte“ erfunden. Nicht nur die Lebensversicherung (Kapitalanlage + Risikolebensversicherung), auch der Bausparvertrag (Sparvertrag + Kredit), das Garantiezertifikat (Anleihe + Derivat) oder der Fondsrente (Versicherung + Fonds) sind beliebte Produktkombinationen:

  •  Beliebt beim Vertrieb, weil der mit einem Abschluss gleich zwei Produkte verkauft und sich die Kosten besser verstecken lassen.
  • Beliebt beim Kunden, da bequem und gewohnt.

Als Finanzplaner und Gutachter von Produkten durchforste ich manche Finanzordner meiner Kunden. Es ist erschreckend, wie wenig Informationen über die Kosten – insbesondere von Versicherungsprodukten – darin zu finden sind. Nicht selten fallen Kosten auf zwei oder drei Ebenen an, das summiert sich.

Besonders gern verkauft werden Kombinationen von Altersvorsorgeprodukten mit Berufsunfähigkeitsversicherungen. Zwei völlig verschiedene Bedarfe, die fortan auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind. Wer seine renditeschwache Kapitallebensversicherung auflösen will, um das Kapital rentabler anzulegen, der riskiert den Verlust seiner Absicherung bei Berufsunfähigkeit. Es fehlt jede Flexibilität.

 

Meiden Sie Überraschungseier

Überraschungseier sind spannend. Was ist wohl diesmal darin? Was Kindern Freude bereitet, das bereitet Anlegern bei Finanzprodukten nicht selten großen Kummer. Viele Anlagen sind eine Black Box.

  • Die harmlose Form ist die Kapitallebensversicherung. Die Versicherung legt nicht offen, wie sie das Geld der Anleger investiert. Das Risiko ist begrenzt durch den Garantiezins (früher 4 % p.a., heute nur noch 0,9 % p.a.).
  • Die gefährliche Form ist der Black Pool mancher Beteiligung. Geschlossene Fonds sammeln Gelder von Anlegern, um damit in Immobilien oder andere Anlagen zu investieren. Die Objekte stehen bei Zeichnung noch nicht fest. Das gefährliche, Beteiligungen sind nicht börsengehandelt und damit nicht liquide.
  • Auch die beliebten Mischfonds sind Überraschungseier. Das Fondsmanagement hat weitgehend freie Hand und der Anleger muss darauf vertrauen, dass diese die richtigen Entscheidungen treffen. Enttäuschungen sind vorprogrammiert.

 

Fazit

Schön verpackte Geschenke gehören unter den Weihnachtsbaum. Bei Finanzprodukten sollten Sie sich von der Verpackung nicht ablenken lassen. Entscheidend ist, was drin ist. Dabei gilt, weniger ist mehr. Meiden Sie Kombiprodukte und Überraschungseier und kaufen Sie nur, was Sie auch verstehen.

Was wirklich zählt

Die Kosten von Finanzprodukten werden immer transparenter. Ab 2019 erhalten Geldanleger erstmals einen vollständigen Kostenausweis über das Vorjahr. Transparenz ist ein Gebot der Fairness. Kosten sind wichtig, aber nicht isoliert zu betrachten. Entscheidend ist, was hinten rauskommt und welche Leistung vom Produkt und dem Berater erbracht wird. Anleger sollten sich fragen: Welchen Nutzen erhalte ich für mein Geld?

Kostentransparenz ist ein Gebot der Fairness

Ich treffe immer wieder auf Finanzberater, die sich über die Transparenz-Pflichten beklagen. Ihre Argumentation lautet: „Wenn ich ein Auto kaufe, muss mir der Verkäufer ja auch nicht sagen, was er daran verdient. Warum muss ich als Finanzberater alle Kosten offenlegen?“

Ganz einfach:

  • Weil es den Kunden etwas angeht. Kosten von Finanzprodukten senken die Rendite und damit ein entscheidendes Leistungskriterium. Würden höhere Kosten bei Autos die PS-Zahl reduzieren, würden wir das auch wissen wollen.
  • Weil versteckte Kosten und „Kick Backs“ (Provisionen von Produktgebern an die Verkäufer) Interessenkonflikte bergen. Transparenz schafft Vertrauen.

Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber mit MIFID II und dem 2. Finanzmarkt-Novellierungs-Gesetz endlich Klarheit schafft.

 

Auf den Nutzen kommt es an

Die Höhe der Kosten allein sagt wenig aus. Entscheidend ist, welcher Nutzen ihnen gegenüberstehen. Bei der Rendite ist es ähnlich. Erst in Relation zum eingegangenen Risiko, können wir den Wert einer Rendite erkennen.

Viele Finanzprodukte halten nicht, was sie versprechen. Das gilt für erschreckend viele Produktkategorien.

  • Beteiligungen sind besonders teuer und besonders riskant (Schiffsfonds, Containerfonds, Medienfonds). Nur 5 % aller geschlossene Fonds laufen wie prospektiert.
  • Aktive Investmentfonds schaffen es nicht dauerhaft besser abzuschneiden als der Markt (Benchmark) und das, obwohl sie bis zu zehnmal so teuer sind wie passive Fonds (ETFs).
  • Zertifikate sind besonders intransparent, die in ihnen enthaltenen Wetten gehen vielfach nicht auf.
  • Selbst die Ablaufleistung konservativer Produkte wie Kapitallebensversicherungen liegt dramatisch unter den Werten, die Anlegern in Aussicht gestellt wurden.

Das es möglich ist, ordentliche Markt-Renditen bei niedrigen Kosten zu erzielen, zeigen passive Fonds (ETFs).

 

Wichtige Kriterien

Die Fixierung auf die Kosten aufgrund mangelnder Transparenz lenkt den Fokus weg von Aspekten, die mindestens so wichtig sind:

  • Finanzplan
  • Renditemotor
  • Risikoschutz
  • Anlagestrategie
  • Umsetzung

Wer Geld anlegt, braucht eine Strategie. Die geeignete Strategie ist abhängig davon, was der Anleger erreichen möchte. Finanzprodukte sind Werkzeuge, die helfen, eine Strategie umzusetzen. In Händen von Anlegern ohne Strategie richten sie mehr Schaden an, als sie nutzen.

 

Wissen Sie, was Sie suchen?

Wer nicht weiß, wo er steht und wo er hinwill, der wird nichts erreichen. Wer Finanzprodukte kauft und Verträge abschließt, ohne zu wissen, was er sucht, der wird Opfer von Produktverkäufern. Erfolg braucht Plan. Es gibt nicht das richtige oder beste Finanzprodukt. Welches Finanzprodukt geeignet und empfehlenswert ist, richtet sich nach dem Bedarf. Der wiederum ergibt sich aus der Situation (Vermögen, Einkommen, Vorwissen) und den Zielen (Zweck) des Anlegers.

Eine Private Finanzplanung ist gut investiertes Geld. Wer einen Finanzplan hat, kann Finanzprodukte zielgerichtet aussuchen und einsetzen.

 

Besitzt Ihr Finanzprodukt einen leistungsfähigen Rendite-Motor?

Wer

  • Vermögen aufbauen,
  • für das Alter vorsorgen
  • oder auch nur Vermögen erhalten möchte,

der braucht Rendite. Kalkulierbare Renditen gibt es dort, wo es Erträge gibt. Nur drei Anlageklassen besitzen kalkulierbare Erträge:

  • Anleihen und Einlagen (Zinsen)
  • Immobilien (Mieten)
  • Aktien (Gewinne / Dividenden)

Alle anderen Anlageklassen wie Gold, Kunst, Rohstoffe, Wein oder Bitcoins verfügen nicht über eigene Erträge. Wer Sie kauft, tut das in der Hoffnung, sie teurer wieder verkaufen zu können. Diese Art von Spekulation ist natürlich auch mit Anleihen, Immobilien oder Aktien möglich. Deshalb kommt es nicht nur auf die Anlageklasse an, sondern auch wie man damit umgeht. Investoren denken langfristig und agieren mit ruhiger Hand.

Produkte, die auf Spekulation beruhen wie Optionsscheine, CFDs, Zertifikate oder Rohstoffe, bieten keinen kalkulierbaren Renditebeitrag, sondern nur Gelegenheitsgewinne, die sich nicht wiederholen lassen.

Produkte, die auf Zinsanlagen setzten, wie Kapitallebensversicherungen, Rentenfonds oder Banksparpläne. Besitzen beim aktuellen Zinsniveau keinen ausreichend starken Motor, um Leistung zu bringen.

Wie verheerend sich eine Kombination von schwachem Rendite-Motor und hohen Kosten auswirkt, das zeigt die Entwicklung der Lebensversicherungen.

 

Wie steht es um den Risikoschutz?

Rendite ist eine Funktion von Risiko: Keine Rendite ohne Risiko. Umgekehrt gilt das leider nicht. In Folge der massiven Eingriffe der Notenbanken werden viele Risiken beim Geld verleihen nicht adäquat bezahlt. Seien Sie vorsichtig, schwachen Schuldnern Geld zu leihen.

Viele Anleger versäumen es, ihre Anlagen breit zu streuen. Sie setzen auf Einzelaktien, Branchenfonds oder bestimmte Länder. Wer nur deutsche Aktien kauft, lässt 97 % der Aktien weltweit außen vor. Risiken, die durch Streuung „wegdiversifiziert“ werden können, werden in der Finanzwissenschaft „unsystematische“ Risiken genannt. Mit ihnen lässt sich nicht systematisch eine Rendite erzielen.

Besonders tückisch ist unangemessenes Risiko, das nicht zum Anleger oder seiner Situation passt. Manifestiert sich das Risiko in fallenden Kursen, führt das nicht selten zu Panikreaktionen. Der Anleger schädigt sich durch eigenes Verhalten.

Beliebt, aber unnötig, sind Garantien bei Langfristanlagen. Wer in der Vergangenheit in den Weltaktienindex oder den Dax investiert hat und mindestens fünfzehn Jahre nicht verkauft hat, hat noch nie einen Verlust gemacht. Garantien kosten Geld und Performance, das können Sie sich sparen.

Den besten Risikoschutz bietet eine maßgeschneiderte Anlagestrategie, die zum Risikoprofil des Anlegers passt, ein gut diversifiziertes Portfolio und professionelle Begleitung durch einen erfahrenen Berater.

 

Hält die Anlagestrategie, was sie verspricht?

Der größte Kritikpunkt an aktiven Anlagestrategien und Fonds sind nicht einmal die Kosten. Es ist vielmehr die Tatsache, dass sie nicht halten, was sie versprechen. Nur 15 % aller aktiven Fonds schlagen den Marktindex und das nicht mal dauerhaft. Passive Strategien versprechen weniger, aber halten mehr. Anleger partizipieren so am Markt.

Zum Wesen einer Strategie gehört es, systematisch vorzugehen. Viele Finanzprodukte enthalten kurzfristige Wetten (Zertifikate), andere basieren auf Prognosen (aktive Fonds) und hoher Aktivität (Trading, Timing).

99 % aller Fonds und Altersvorsorgeprodukte setzen auf aktives Management und das obwohl nachweislich nur wenige ihr Leistungsversprechen, eine Benchmark zu schlagen, erfüllen.

 

Setzen Sie Ihre Strategie auch konsequent um?

Ein Finanzplan und eine Anlagestrategie sind nur so gut, wie ihre Umsetzung. Und daran mangelt es in der Praxis. So haben Professoren die Depots von Anlegern bei Direktbanken untersucht.  Sie stellten fest, dass viele Anleger mittlerweile auf die kostengünstigen ETFs setzen. Doch statt diese zu halten versuchten sich viele im Trading. Dass die ETFs so billig sind, animiert sie geradezu. Mit fatalem Ergebnis: Geringere Renditen bei höherem Risiko.

Emotionale Bindungen zu bestimmten Anlagen können verhängnisvoll sein. Wir hängen an einer Idee, haben Werte geerbt oder sind nicht bereit, Anlagen mit Verlust zu verkaufen. Im Ergebnis werden so sinnvolle Strategien nicht konsequent umgesetzt.

Hinzu kommen

  • operative Fragen (Wie eröffne ich ein Depot? Wie finde ich das richtige Produkt?)
  • rechtliche Aspekte (Gemeinschaftsdepot, Sondervermögen, Vollmachten)
  • und steuerliche Fragen (neue Gesetze, Verlusttöpfe, Quellensteuer, Abgeltungssteuer).

All diese Themen kann man im do-it-yourself bewältigen. Doch auch das kostet Energie und Zeit, birgt operative Risiken und ist nicht selten mit einem Gefühl der Unsicherheit verbunden.

 

FAZIT

Wer Geld anlegt muss auf viele Faktoren achten. Kosten gehen zu Lasten der Rendite. Daher ist es empfehlenswert sich genau zu überlegen, wofür es lohnt zu zahlen, entscheiden ist der Nutzen:

Private Finanzplanung: Überblick und Orientierung

Finanzprodukt: Performance (Rendite, Schutz, Baustein für die Strategie)

Beratung: Von Produktherstellern unabhängige Empfehlungen im Interesse des Kunden

Umsetzung: Depoteinrichtung und Order, Vertragsgestaltung

Depot: Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren

Begleitung: erfahrener Berater, der den Anleger und seine Situation kennt und für Fragen und Gespräche zur Verfügung steht. Schutz vor Fehlern.

Serviceleistungen: Reporting, Vollmacht, Freistellungsauftrag, Steuerbescheinigung

 

Kosten bei der Geldanlage: Auf den Nutzen kommt es an!

 

 

Die Truthahn-Illusion

Es ist schon wieder passiert. Immer wieder versenken Anleger Milliarden in scheinbar sicheren Anlagen. Diesmal betrifft es 50.000 Anleger, die in Container-Direktanlagen der P&R Gruppe investiert haben. Die Pleite trifft Anleger (und manchen Berater) aus heiterem Himmel. Viele schworen seit Jahren auf P&R Container Investments. Die P&R Gruppe war berühmt für Ihre Zuverlässigkeit, ihren Verpflichtungen ist sie stets zu 100 Prozent nachgekommen. Seit Ihrer Gründung im Jahr 1975 und über alle Crashs und Krisen hinweg. Wie – um Himmelswillen – konnte das passieren?

 

So erging es dem Truthahn

Das Phänomen ist nicht neu und in der Verhaltensökonomik als Truthahn-Illusion bekannt. Der Truthahn wurde seit seiner Geburt von Menschen gefüttert und gemästet. Seinen Kindern erzählte er stolz: „Der Mensch ist unser bester Freund“. Die Gans hatte Zweifel, ihr nahmen die Menschen die Eier weg. „So ein Quatsch!“, sagte der Truthahn. „Ich kenne keinen besseren Freund, als den Menschen.“ Und er führte an, dass er seine These sogar „empirisch“ belegen könne. Mit jedem Tag stieg seine Gewissheit, bis …  Ja, … bis kurz vor Thanksgiving. Da wurde seine These auf grausame Weise widerlegt. Doch da war es bereits zu spät.

Traurig – nicht wahr? Traurig ist auch das Schicksal, dass den P&R Anlegern droht. Sie bangen um Ihre Container-Direktanlagen. Der Insolvenzverwalter muss 1,25 Millionen weltweit verstreute Containern verwerten. Es bleibt abzuwarten, was da für die Anleger übrigbleibt.

 

100 Prozent

Anleger fühlten sich zu hundert Prozent sicher. Denn P&R erfüllte über viele Jahre zu 100 Prozent, was in den Verkaufsprospekten prognostiziert wurde. Und das in einem Geschäft, dass vom Welthandel abhängig ist. Mehr als ungewöhnlich ist diese Stabilität für die Anlageform als Sachwertanlage in Fonds. Die Stiftung Warentest untersuchte 2015 über 1.000 seit 1975 aufgelegte geschlossene Fonds. Nur 6 % der Fondsbeteiligungen erreichten ihre Prognosen. Ob Schiffsfonds, Medienfonds oder Immobilienfonds, überall tauchten Risiken auf, die vorher nicht prognostiziert waren. Und mitten drin P&R ein Hort der Stabilität? Zu schön, um wahr zu sein.

 

Die Ruhe vor dem Sturm

Es ist wie auf dem Meer. Ist die See spiegelglatt, freut das die Leichtmatrosen. Erfahrene Seeleute hingegen wissen, es droht ein Sturm. Auch an der Börse ist dieses Phänomen zu beobachten. Der Wirtschaftsprofessor und Behavioral-Finance-Experte Prof. Rüdiger von Nitsch nennt es „erlernte Sorglosigkeit“. Ist lange nichts passiert, werden wir sorglos. Ein Börsenjahr wie 2017 mit geringen Schwankungen fühlt sich zwar gut an, macht aber unvorsichtig. Im Falle von P&R gab es gar keine Schwankungen, handelte es sich doch um geschlossene Fonds, die nicht börsengehandelt werden. Keine Kursschwankungen, 100 Prozent pünktliche Ausschüttungen, 100 Prozent erfüllte Prognosen, das ist das Paradies für Sparer, die sich in einer Zeit von Null-Zinsen und Unsicherheit nach Stabilität sehnen.

Doch unter der Oberfläche brodelte es wohl schon länger. Der Markt für Container war seit 2011 rückläufig. Operative Verluste wurden offensichtlich über Jahre gestopft.  Ob mit Rücklagen oder mit dem frischen Geld neuer Anleger, das wird hoffentlich das Insolvenzverfahren zeigen. P&R gehörte zum sogenannten Grauen Kapitalmarkt, dort herrschten über Jahrzehnte geringe Standards, was Prospektpflicht und andere Regularien betrifft.

Der Fall P+R ist kein Einzelfall. Immer wieder unterliegen Anleger der Truthahn-Illusion.

 

Schneeballsysteme

Berühmtheit erlangte die Madoff-Pleite. Bernhard Madoff, Jahrzehnte lang ein Mann mit tadellosem Ruf, eine Wall-Street Legende. Zur Legende wurde er, weil er Anlegern seines Hedgefonds über zehn Prozent Rendite versprochen hatte und dieses Versprechen wie ein Uhrwerk einhielt. Nur hatte er das Geld nicht erwirtschaftet, sondern den Konten seiner Kunden entnommen. Solange stetig Kapital zufloss, kein Problem. Und Geld floss reichlich. Die Creme de la Creme der Finanzszene vertraute ihm sein Geld an, gierig nach seinen Renditen. Solche Schneeball Systeme sind Betrug, sie leben von Anlegern, die glauben wollen, was nicht sein kann.

 

Opfer des eigenen Erfolgs

Beteiligungen, auch geschlossene Fonds genannt (korrekt „Alternative Investmentfonds“ AIF), erfreuen sich bei Finanzvertrieben großer Beliebtheit aufgrund üppiger Provisionen. Ein echter Renner waren jahrelang Schiffsfonds. Die verkauften sich so gut, dass ihre Macher immer neue Fonds aufgelegten und dafür Schiffe bestellten. Ca. ¾ aller Frachtschiffe auf den Weltmeeren gehören deutschen Anlegern. Ihre Preise sind aufgrund des Überangebots massiv eingebrochen. Ein Desaster das Banken kräftig anheizten, nicht zuletzt die HSH-Nordbank, die jüngst verkauft wurde. Das Kapitel ist sowohl für Anleger wie Steuerzahler noch nicht ausgestanden, da sollten wir uns keine Illusionen machen.

Beteiligungen bergen oft unkalkulierbare Risiken für Anleger. Im Ernstfall ist es oft unmöglich, sie zu akzeptablen Preisen zu verkaufen.

 

Schon in der Finanzkrise erwischte es sicherheitsorientierte Anleger heftig. Bei konservativen Anleger erfreuten sich Immobilienfonds großer Beliebtheit. Geringe Kursschwankungen, regelmäßige Erträge, Anlageobjekte, die real sind und an deren Anblick man sich erfreuen kann. Im Gegensatz zu den Containerinvestments war es sogar möglich in „offene“ Fonds (OGAW) zu investieren. Das sind klassische Investmentfonds, in die Anleger täglich ein- und aussteigen können. Herz, was willst Du mehr.

Das dachten sich auch zunehmend institutionelle Anleger (Profis), die immer größere Summen statt auf Tagesgeld in offenen Immobilienfonds parkten. Einer Anlageform, die für Kleinanleger konzipiert waren. Und so musste es kommen, wie es kam, in der Finanzkrise brauchten die Großanleger Geld und verkauften Ihre Anteile an den Immobilienfonds. Doch diese hatten kein Geld, die Anleger auszuzahlen. Das Geld der Anleger steckte in Immobilien, die so schnell nicht und schon gar nicht zu vernünftigen Preisen veräußerbar waren. Die Fonds setzten die Rücknahme aus und wurden schließlich abgewickelt. Der Prozess dauert bis heute an.

Was meinen Sie?

Sie haben nun einige Beispiele gesehen. Vor diesem Hintergrund, wie schätzen Sie diese Angebote ein?

  • Eine Bank bietet ein Allwetter-Zertifikat an, das verspricht in allen Börsenlagen Rendite abzuwerfen.
  • Ein Berater empfiehlt Ihnen eine Nachranganleihe einer Bank mit einem Zins von 4% p.a. – ein Schnäppchen in Zeiten von Null-Zinsen.
  • Ein Berater empfiehlt einen Goldsparplan mit Verzinsung.
  • Eine Börsenzeitschrift berichtet begeistert von der Möglichkeit mit einem synthetischen ETF in, eigentlich illiquide, afrikanische Aktienmärkte zu investieren.
  • Ein Onlineunternehmer bietet im Internet an, Sie exklusiv in die Geheimnisse des Online-Business einzuweihen. Mit 20 Stunden Arbeit in der Woche, vom Strand auf Bali ein passives Einkommen und ein süßes Leben.

Selber denken ist gefragt. Nur der gesunde Menschenverstand schützt vor Illusionen.

 

Wie Sie mit drei einfachen Fragen teure Fehler vermeiden

Welche das sind, verrate ich in diesem Artikel.

Eine gute Frage ist oft mehr wert als ein 100 Seiten dicker Prospekt.

 

Vermögensanlage: Keep it simple

Die Welt der Vermögensanlage sieht kompliziert aus. So dachte ich, als ich letzte Woche in ungewohnter Zuschauerrolle eine Podiumsdiskussion zu meinem Thema verfolgte. Dabei lassen sich selbst anspruchsvolle Inhalte, einfach vermitteln. Einer, der diese Kunst beherrscht, war Teilnehmer der Diskussion: Professor Walz, Autor des Buches „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“.  Lassen Sie uns etwas Licht ins Dickicht des Finanzwaldes bringen.

 

Den Wald trotz lauter Bäumen sehen

Der Heidelberger Business Club hatte geladen. Vier Finanzberater und ein Professor beantworteten Fragen einer Moderatorin vor ca. 90 Zuhörern. Es ging um Immobilien, Aktien, Diamanten, Riester-Verträge, Fonds, synthetische und physische ETFs und Bausparverträge. Die Meinungen gingen – wie unter Experten üblich – auseinander. Da machte der Professor eine wichtige Unterscheidung, die zwischen Anlageklassen und Anlagevehikeln. Hartmut Walz von der Hochschule Ludwigshafen gab damit den Zuhörern eine wichtige Hilfestellung, wie sie den Wald, trotz der vielen Bäume, erkennen.

Finanzprodukte sind Anlagevehikel, entscheidend ist, welche Anlageklassen drin sind.

 

Anlageklassen und Anlagevehikel

In Anlageklassen können Anleger – falls Sie das nötige Kleingeld besitzen – direkt anlegen. Dazu gehören (in Klammern ein Beispiel):

  • Cash (Bargeld)
  • Gläubigerpapiere (Anleihen)
  • Unternehmensbeteiligungen (Aktien)
  • Immobilien (Mietshaus)
  • Edelmetalle (Gold)
  • Rohstoffe (Öl)
  • Fremdwährungen (US-Dollar)
  • Finanzderivate (Option)
  • Exotische Anlagen (Kunst)

Anlagevehikel sind die Verpackungen in denen diese Anlageklassen angeboten werden:

  • Einlagenkonten (Sparkonto, Tagesgeld, Prämien-Sparen …)
  • Bausparverträge
  • Kapitallebensversicherungen
  • Altersvorsorgeprodukte (Riester, Rürup, BAV, fondgebundene Versicherungen)
  • Investmentfonds
  • Zertifikate
  • Beteiligungen
  • Und vieles mehr

 

Die Anlageklassen sind es, auf die wir uns konzentrieren. Denn wer wissen will, was aus einer Anlage rauskommt, muss wissen, was drin ist. Denken wir uns also erst einmal die Verpackungen weg.

 

Nur drei Anlageklassen besitzen einen Motor

Der Motor jeder Anlage sind die Erträge. Wir unterscheiden im Wesentlichen diese drei Arten von Erträgen:

  • Zinsen
  • Mieten
  • Gewinne

Anleihen haben Zinsen, Immobilien bringen Mieten und Aktien erwirtschaften Gewinn, den sie zum Teil ausschütten (Dividende). Daneben ist es möglich, durch den Kauf und Verkauf zusätzlich Gewinne, aber auch Verluste, zu realisieren. Das hängt im Wesentlichen von Angebot und Nachfrage ab, also der Antwort auf die Frage: Zu welchem Kurs oder Preis ist ein anderer bereit, mir meine Anlage abzukaufen?

Den restlichen Assetklassen fehlen intrinsischen Erträge. Die Rendite von Anlagen in Edelmetallen, Rohstoffen oder Fremdwährungen bestimmt sich rein über die Veränderungen der Kurse. Eine originäre Ertragsquelle gibt es nicht.

„Nur Aktien, Immobilien und Anleihen besitzen intrinsische Erträge.“ Prof. Hartmut Walz

 

Warum die Anlageklassen so wichtig sind

Nutzen Sie den Pareto-Effekt. Er besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Übertragen auf Vermögensanlage bedeutet das:

Pareto-Prinzip: 80 % des Anlageerfolgs wird durch die Wahl und Kombination der Anlageklassen bestimmt.

 

Da es nur neun Anlageklassen, aber Millionen von Finanzprodukten gibt, vereinfacht das die Sache erheblich.

Alle die Dinge, die Anleger üblicherweise für sehr bedeutsam halten, tragen in Wahrheit viel weniger zum Erfolg bei, als wir glauben. Dazu gehören:

  • Den richtigen Zeitpunkt für Kauf und Verkauf zu finden (Market-Timing)
  • Die richtige Selektion von einzelnen Werten (Stock-Picking)

Für den langfristigen Erfolg ist es entscheidend, Assetklassen in der richtigen Gewichtung zu kaufen und zu halten (Buy and Hold) und dabei das wichtigste Prinzip der Anlage einzuhalten: Risikostreuung (Diversifikation).

 

Einfach und wirkungsvoll

Stellen Sie sich vor, Sie müssen zwischen zwei Anlagen entscheiden, deren Chance und Risiko Sie nicht einschätzen können? Wie würden Sie vorgehen?

Wer die Chance im Blick hat würde womöglich alles auf eine Karte setzen, doch wer das Risiko begrenzen möchte, würde wohl intuitiv das Kapital zu gleichen Teilen auf die Anlageklassen verteilen. Dies nennen Wissenschaftler „naive Diversifikation“. Damit ist das Risiko, mit einer der Anlagen schief zu liegen, soweit möglich reduziert. Die Grundüberlegung lautet: Wenn man Anlagen mischt, die sich unterschiedlich verhalten (steigt A, fällt B), gleichen sich Risiken aus. So ist zu beobachten, dass in Krisenzeiten Anleger verstärkt Anleihen kaufen und Aktien meiden. In Boom-Zeiten ist es umgekehrt. Aktien und Anleihen verhalten sich oft gegenläufig – genau das was wir suchen, um Schwankungen zu reduzieren.

Nach dem Prinzip der naiven Diversifikation ergeben sich folgende einfache Portfolien mit mindestens zwei, wahlweise drei oder vier Anlageklassen:

  1. 50% Aktien + 50 % Anleihen
  2. 33 % Anleihen + 33% Immobilien + 33% Aktien
  3. 25% Anleihen + 25 % Immobilien + 25% Aktien + 25 % Gold oder Rohstoffe*

*Obwohl Gold und Rohstoffe keinen intrinsischen Ertrag besitzen, kann ihre Beimischung zu Risikoreduktion führen, wenn sie sich anders verhalten als die anderen Anlageklassen.

Das ist übrigens gar nicht so naiv, wie der Name klingt. Der große Vorteil ist, dass es einfach zu verstehen und einfach umzusetzen ist und dem wichtigsten Grundprinzip des Anlegens entspricht: konsequenter Risikostreuung. Entscheidend ist es Anlageklassen miteinander zu kombinieren, die möglichst wenig korrelieren (gleichlaufen).

Diese Betrachtung ist allgemein. In der Praxis ist es sinnvoll, das Risiko, des Portfolios und damit die Mischung der Anlageklassen (Asset-Allokation) dem individuellen Risikoprofil des Anlegers anzupassen.

 

Einfach umzusetzen

Schön und gut werden Sie sagen. Doch welches Anlagevehikel soll ich wählen? Die wenigsten haben das Kapital direkt und breit gestreut in Aktien, Anleihen oder Immobilien zu investieren. Auch hier gibt es eine einfache Lösung: offene Investmentfonds (die heute korrekt, aber sperrig, „Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ (OGAW) heißen).

Mit Hilfe von Investmentfonds ist es heute jedem möglich, bereits für Beträge unter 100 Euro, sogar als Sparplan in ganze Anlageklassen zu investieren. Die Fonds bündeln das Geld der Anleger und legen es weltweit an. Jedem Anleger gehören ein Bruchteil des Vermögens und er hat Anspruch auf seinen Bruchteil am Ertrag.

Drei Gründe, warum sich Investmentfonds sind für Privatanleger als Anlagevehikel anbieten:

  • Mit Investmentfonds lässt sich in ganze Anlageklassen anlegen und sehr breit diversifizieren.
  • Sie sind liquide, so bleibt der Anleger jederzeit handlungsfähig.
  • Sie bieten besonderen rechtlichen Schutz (Sondervermögen schützt Anlegergelder bei Konkurs der Fondsgesellschaft vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters).

Da die Assetklassen 80% des Anlageerfolgs bestimmen, kommt es beim Anlagevehikel vor allem darauf an, keine Fehler zu begehen. Die meisten Anlagevehikel sind teure Verpackungen, die uns Anlegern die Assetklassen in immer neuen Mischungen und Formen verkaufen. Doch das ist einen eigenen Beitrag wert. ETFs sind besonders kostengünstige Investmentfonds.

 

Verleihen, Investieren oder Spekulieren?

Anlagevehikel könnte man auch von Anlage-Werkzeugen sprechen. Wie bei jedem Werkzeug kommt es darauf an, es richtig einzusetzen.

Grundsätzlich können wir Geld – außer es auszugeben –

  • Verleihen
  • Investieren
  • oder damit spekulieren.

Wer Geld verleiht ist Gläubiger und hat einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung des geliehenen Geldes zur Fälligkeit. Entscheidend für die Sicherheit der Anlage ist die Qualität des Schuldners. Denn fällt dieser aus, ist der Rückzahlungsanspruch wertlos. Dafür, dass wir jemandem Geld leihen erwarten wir eine Gegenleistung, den Zins. Typisch sind Bankeinlagen oder Anleihen.

Je länger wir das Geld verleihen und je schlechter die Bonität des Schuldners, umso höher sollte der Zins sein. So die normale Erwartung. Seit der Finanzkrise ist diese Logik weitgehend außer Kraft gesetzt dadurch, dass die Notenbanken massiv in den Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage eingreifen. Es bleibt abzuwarten, wie lange dieses Phänomen noch anhält.

Wer Geld investiert in Immobilien oder Unternehmen hat keinen schuldrechtlichen Anspruch. Es gibt niemandem, der Ihnen beim Kauf einer Immobilie diese wieder zu einem Fixpreis zurücknimmt. Chancen und Risiken und die Verantwortung liegen alleine beim Eigentümer. Die Renditeerwartung muss folglich höher sein, als Ausgleich für dieses Risiko.

Vermietete Immobilien können Sie auch als unternehmerische Beteiligung verstehen. Denn der Mietertrag kommt nicht von selber. Wer erfolgreich eine Immobilie vermietet muss viele Dinge tun, die ein Unternehmer auch tun muss: Mieter suchen, Anzeigen schalten, verhandeln, Verträge schließen, instandhalten, renovieren und kalkulieren.

Spekulieren lässt sich mit jeder Anlageklasse. Es kommt auf die Haltung an.

Ein Spekulant setzt darauf, dass ihm ein anderer (Dummer) seine Anlage zu einem höheren Preis/Kurs abkauft als er bezahlt hat. Anlagen mit hohen Kursschwankungen ziehen Spekulanten stärker an (Aktien, Derivate, Fremdwährungen).

 

Keep it simple

Lassen Sie sich von der Vielfalt der Anlageformen und Produkte nicht verwirren. Fokussieren Sie sich auf die Anlageklasse, deren Gewichtung und darauf Fehler zu vermeiden. Es ist nicht notwendig, dass Sie Experte für Finanzmärkte werden, um erfolgreich anzulegen. Konzentrieren Sie sich stattdessen darauf, wo Sie Experte sind, auf Ihr Leben. Und suchen Sie eine Anlage, die Ihre Ziele und Bedürfnisse am besten unterstützt.

 

Mein Lese-Tipp: Prof. Hartmut Walz „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen