Kaufen Sie nicht die Verpackung, sondern …

Wir lieben schöne Verpackungen. Alles und jedes, das zum Verkauf angeboten wird, wird heute aufwendig verpackt. Wer Produkte wegen ihrer Verpackung kauft, der handelt nicht nachhaltig. Lenkt doch das Drumherum vom wahren Inhalt ab und landet nicht selten im Müll. Auch viele Finanzprodukte gehören ausgepackt. Als Finanzplaner und Gutachter entpacke ich täglich solche Produkte und staune nicht schlecht, was dabei alles zum Vorschein kommt.

 

In der Weihnachtsbäckerei

Bäcker und Köche wissen, auf die Zutaten kommt es an. Doch da fängt das Verwirrspiel für den Laien an? Was ist Verpackung, was Inhalt? Finanzprodukte bestehen aus einer übersichtlichen Zahl an Inhalten, auch Assetklassen genannt. Diese werden in einer unendlichen Vielfalt miteinander kombiniert und angeboten. Jährlich beglücken tausende neue Finanzprodukte die Verbraucher. Die wenigsten davon sind klar verständlich, nützlich und transparent.

Entscheidend sind die Zutaten (Assetklassen):

  • Einlagen
  • Anleihen
  • Aktien
  • Immobilien
  • Gold und Edelmetalle
  • Rohstoffe
  • Währungen

Den Zutaten beigemischt, werden Geschmacksverstärker:

Derivate sind allgegenwärtig. Sie sind wahre Alleskönner. Sie dienen als Ersatz für Direktinvestments (sowie Süßstoff statt Zucker) und dienen dem Transfer von Risiken. Werden sie als Hebel eingesetzt verstärken sie die Chancen und die Risiken. Aufgrund ihrer Abstraktheit sind sie schwer zu verstehen.

– Kredite hebeln ebenfalls Renditen, da weniger Eigenkapital eingesetzt wird. Fatalerweise hebeln sie ebenfalls die Risiken und verstärken Kursschwankungen.

– Versicherungen sind eine weitere Zutat, die Anlageprodukten gerne beigemischt wird. Wir alle kennen Kapitallebensversicherungen, eine Kombination aus einer Geldanlage mit einer Risiko-Lebensversicherung.


„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.“


Forrest Gump

 

Finanzprodukte sind Verpackungen

Egal ob Bausparverträge, Fonds, Zertifikate, Beteiligungen, Indexpolicen, Unfallversicherungen mit Beitragsrückzahlungsgewähr, Pflegeimmobilien, Optionsscheine, Faktorzertifikate, ETFs, ETCs, CFDs, ABS, Kryptowährungen, Vermögensverwaltungen, Robo-Advisor, Wandelanleihen, Hedge Fonds, Total Return Fonds, Fondsrenten, Dachfonds, Riesterrenten, Pensionskassen oder Crowdfunds, das alles sind Verpackungen.

Haben Sie mal kleine Kinder beim Auspacken von Geschenken beobachtet? Ist es Ihnen so ergangen wie mir? Da habe ich meinem Patenkind eine teure Puppe gekauft und was macht die Kleine? Sie spielt mit dem Packpapier, weil es so schön glänzt und raschelt.

Wer Inhalt und Verpackung nicht unterscheiden kann, der erkennt nicht, worauf es ankommt. Entscheidend ist, was drin ist.

Die meisten Finanzprodukte sind teure Verpackungen. Entscheidend ist, was drin ist. Klick um zu Tweeten

 

Verpackungen sind Versprechungen

Etwas zu verpacken kann durchaus sinnvoll sein, um den Inhalt vor Schmutz oder Beschädigung zu schützen. Die meisten Verpackungen dienen jedoch nicht dem Inhalt, sondern zielen auf den Käufer und die menschliche Neigung falsche Schlüsse zu ziehen:

  • Wir schließen von einer voluminösen Verpackung auf einen großen Inhalt.
  • Wir schließen von einer aufwendigen Verpackung auf einen wertvollen Inhalt.
  • Wir schließen von einer phantasievollen Verpackung auf eine positive Überraschung.

Natürlich lenken die hübsch verpackten Finanzprodukte und Hochglanzprospekte davon ab, dass es eigentlich nur wenige Zutaten sind, auf die es ankommt.

 

Steuervorteile für Verpackungen

Steuerliche Fehlanreize fördern teure Verpackungen. So werden Fondsanlagen geringer versteuert, wenn sie in einen teuren Versicherungsmantel gesteckt werden. Während Sparzinsen besteuert werden sind Kreditzinsen absetzbar. Statt einer einfachen Altersvorsorgelösung basierend auf Anleihen, Aktien und Immobilien (die einzigen Assetklassen, die Erträge bringen), werden sogenannte „Altersvorsorgeprodukte“ der Finanzindustrie gefördert:

  • Drei Schichten
  • Förderprodukte: Riester, Rürup, bAV
  • Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) alleine mit sechs Durchführungswegen (von dr Direktversicherung bis zur U-Kasse)
Ginge es der Politik bei der Altersvorsorge um die Bürger, würde sie es einfach machen. Komplizierte Altersvorsorgeprodukte dienen vor allem den Finanzvertrieben. Klick um zu Tweeten

 

Beliebte Geschenkkombinationen

„Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …“, „Wird oft zusammengekauft mit …“ Dieser Verkaufstrick von Amazon beruht auf dem Herdentrieb. Wir fühlen uns wohl und sicher, wenn wir tun, was alle tun. Und außerdem ist es bequem.

Schon vor Amazon hat die Finanzindustrie die „Kombiprodukte“ erfunden. Nicht nur die Lebensversicherung (Kapitalanlage + Risikolebensversicherung), auch der Bausparvertrag (Sparvertrag + Kredit), das Garantiezertifikat (Anleihe + Derivat) oder der Fondsrente (Versicherung + Fonds) sind beliebte Produktkombinationen:

  •  Beliebt beim Vertrieb, weil der mit einem Abschluss gleich zwei Produkte verkauft und sich die Kosten besser verstecken lassen.
  • Beliebt beim Kunden, da bequem und gewohnt.

Als Finanzplaner und Gutachter von Produkten durchforste ich manche Finanzordner meiner Kunden. Es ist erschreckend, wie wenig Informationen über die Kosten – insbesondere von Versicherungsprodukten – darin zu finden sind. Nicht selten fallen Kosten auf zwei oder drei Ebenen an, das summiert sich.

Besonders gern verkauft werden Kombinationen von Altersvorsorgeprodukten mit Berufsunfähigkeitsversicherungen. Zwei völlig verschiedene Bedarfe, die fortan auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind. Wer seine renditeschwache Kapitallebensversicherung auflösen will, um das Kapital rentabler anzulegen, der riskiert den Verlust seiner Absicherung bei Berufsunfähigkeit. Es fehlt jede Flexibilität.

Das Leben ist komplex, aber viele Finanzprodukte sind unnötig kompliziert. In komplizierten Produkten lassen sich Kosten besser verstecken. Klick um zu Tweeten

T

 

Meiden Sie Überraschungseier

Überraschungseier sind spannend. Was ist wohl diesmal darin? Was Kindern Freude bereitet, das bereitet Anlegern bei Finanzprodukten nicht selten großen Kummer. Viele Anlagen sind eine Black Box.

  • Die harmlose Form ist die Kapitallebensversicherung. Die Versicherung legt nicht offen, wie sie das Geld der Anleger investiert. Das Risiko ist begrenzt durch den Garantiezins (früher 4 % p.a., heute nur noch 0,9 % p.a.).
  • Die gefährliche Form ist der Black Pool mancher Beteiligung. Geschlossene Fonds sammeln Gelder von Anlegern, um damit in Immobilien oder andere Anlagen zu investieren. Die Objekte stehen bei Zeichnung noch nicht fest. Das gefährliche, Beteiligungen sind nicht börsengehandelt und damit nicht liquide.
  • Auch die beliebten Mischfonds sind Überraschungseier. Das Fondsmanagement hat weitgehend freie Hand und der Anleger muss darauf vertrauen, dass diese die richtigen Entscheidungen treffen. Enttäuschungen sind vorprogrammiert.

 

Fazit

Schön verpackte Geschenke gehören unter den Weihnachtsbaum. Bei Finanzprodukten sollten Sie sich von der Verpackung nicht ablenken lassen. Entscheidend ist, was drin ist. Dabei gilt, weniger ist mehr. Meiden Sie Kombiprodukte und Überraschungseier und kaufen Sie nur, was Sie auch verstehen.